Politische Bildung für Menschen in prekären Lebenslagen

„Stuttgart, 19.5.2022
 
Politische Bildung für Menschen in prekären Lebenslagen – ein Ratschlag im Literaturhaus Stuttgart zeigt die neuen Perspektiven deutlich
 
Seit 2016 läuft in einem Netzwerk Politische Bildung für Menschen im Prekariat die Debatte wie dies verstärkt und umgesetzt werden kann. Bisherige Methoden der politischen Bildung greifen nicht, weil sie zu sehr an den Interessen der Mittel- und Oberschicht orientiert sind. Sie müssten niederschwelliger werden, die Interessen der Prekären aufgreifen, sie an ihren Wohn und Lebensorten erreichen. Kurz gesagt, es bedarf Pilotprojekte der Politischen Bildung, die konsequent die bisherigen -Methoden durchbrechen. Dies erscheint als unmittelbare Aufgabe der traditionellen Bildungsträger sowie auch der Institutionen Sozialer Arbeit, die mit den Menschen in Armutslagen und in prekären Verhältnissen arbeiten.

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Kurzbericht vom 2. Treffen des Roger-Winterhalter-Menschenrechtsbüros am 14.5.22 in Offenburg

Eine vielfältige, bunte Diskussion um einen Text von Roger Winterhalter, den er nach der Gründung des MR Büros am 15.7.21 in Umlauf gebracht hat. In deutscher Sprache – mit französischen Zwischentönen – schildert er die zukünftige Arbeitsweise eines Menschenrechtsbüro.
Stärkung der Menschen, Stärkung ihrer Gruppierungen, Netzwerke der Kooperation, Themenfülle, Berichterstattung, Einmischung. Darum kreist sein Papier. Es wird ein Dokument des Beginns bleiben.
Die Arbeitsgruppe von 8 Aktiven hat sich weiter mit dem Treffen der 5 Länder am 16.7.22 in Freiburg beschäftigt. Dort wird das Projekt Soziale Karawane weiter diskutiert. Auch soll über die Begegnung mit tschechischen und slowakischen Vertretern von eapn in Prag im Mai 2022 berichtet werden.
RS

 

Leserbrief zum Artikel: Aufnahmestopp bei der Tafel

Leserbrief zum Artikel „Aufnahmestopp bei der Tafel“ der RHEINPFALZ vom 07.05.2022

Um es gleich vorweg zu nehmen: Mein uneingeschränkter Respekt gilt den ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer der Tafel. Die Tafel – ursprünglich eine Einrichtung für Wohnsitzlose, präsentiert sich nicht nur als zunehmend unverzichtbare armutspolitische Kompensation für sozialstaatliche Defizite, sondern schon lange auch als günstiger, imageförderlicher und auch noch ökologischer Ausweg aus den Verwertungsproblemen des Lebensmitteleinzelhandels. Sogar einen „Nachhaltigkeitspreis“ gab es für den Bundestafelverband bereits, verliehen vom Lebensmittelhandel. Doch wollten sich die Tafel-Betreiber nicht eigentlich selbst überflüssig machen? Und liefert die Etablierung und Professionalisierung der Tafeln nicht gerade die Legitimation dafür, den Sozialstaat ab- und mittelalterlich-feudale Almosen- und Fürsorgemaßnahmen wieder aufzubauen? Allein das sollte Grund genug zum Nachdenken sein. In dem Maße, wie Armut und Ungleichheit in unserem Land zugenommen haben, ist auch die Tafelbewegung als Brücke zwischen Überfluss und Mangel gewachsen. Aus der ersten Tafel für Obdachlose Menschen in Berlin 1993 ist eine halbprofessionelle Tafelbewegung für einkommensarme Menschen geworden, die so ganz in den schlanken neoliberalen Sozialstaat passt. Ein Ansatz, der den wegen ihrer Ausbeutungs- und Ausspitzelungs-Methoden in die Kritik geratenen Lebensmittel-Discountern wie gerufen kam und ihr Image wieder aufpolierte. Aber auch viele katholische und evangelische Geistliche und manche Caritas- und Diakonie-Vertreterinnen und Vertreter sind ganz in ihrem Element, wenn sie Tafeln einweihen und von christlicher Nächstenliebe fabulieren können. Schließlich sorgen die Tafeln dafür, dass große Mengen von Esswaren vor der Vernichtung bewahrt und rationell verteilt würden. Auf diese Weise macht sich der Bundesverband der Tafel, der nach eigenen Angaben gegen Armut kämpft, sowohl armuts- als auch ökopolitisch unverzichtbar. Aber nur so lange bis in diesem Land soziale Gerechtigkeit hergestellt ist. Dann sind auch die Tafeln überflüssig.

Kämpfer gegen Ungerechtigkeit

Gästebuch: Mit seiner Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten hat Sozialmediziner Gerhard Trabert im Februar für Schlagzeilen gesorgt. Was ihn mehr freut: Seine Anliegen, Armut und Ungleichheit zu beseitigen, sind dadurch in den Fokus gerückt. Jetzt war er in Kaiserslautern.

Von Benjamin Ginkel

„Also rein subjektiv hab’ ich seit der Bundespräsidentenwahl schon mehr An- und Nachfragen“, erzählt Professor Gerhard Trabert der RHEINPFALZ. Er habe das Gefühl, mit seiner Kandidatur zum Bundespräsidenten auf das Thema Armut aufmerksam gemacht haben zu können. Dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Thematik in seiner Antrittsrede aufgegriffen habe und es ein Kooperationsgespräch auf Schloss Bellevue Anfang März gab, sei eine gute Sache gewesen. Trabert: „Aber entscheidend ist, dass sich tatsächlich etwas ändert.“ Und da sehe er bei der Ampel-Regierungskoalition erhebliche Defizite. Eine einmalige 100-Euro-Zahlung für Hartz-IV-Bezieher, um die Kosten der Pandemie abzufedern, sei „ignorant“. Trabert: „Pro Monat müssten 100 Euro mehr gezahlt werden.“ Dieses Beispiel zeige, wie weit weg die Entscheidungsträger in Berlin von der Lebensrealität der Menschen sind.

Ganz anders Professor Trabert: Der Mainzer, Jahrgang 1956, engagiert sich seit Jahrzehnten im Kampf gegen Armut und ist für sein Engagement bereits vielfach ausgezeichnet worden – unter anderem 2004 mit dem Bundesverdienstkreuz. Trabert lehrt an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie. Bekannt geworden ist er mit einer niedrigschwelligen medizinischen Versorgung von wohnungslosen Menschen in Mainz, wo er auch den Verein Armut und Gesellschaft in Deutschland aufgebaut hat.

In Kaiserslautern war Trabert nun am Mittwochabend in der Scheune des Theodor-Zink-Museums zu Gast, wo er gemeinsam mit Sozialaktivist Hans Sander, aus dem Buch „Solidarität in Zeiten von Corona und darüber hinaus“ las. Trabert: „Das war eine stimmige Veranstaltung mit Lesung, Musik und intensiver Diskussion.“ Unter den Zuhörern seien auch selbst von Armut Betroffene gewesen. Man habe schnell einen Draht zueinander gefunden.

Anders könne das sein, „wenn ich vom Lions Club oder den Rotariern eingeladen werde“. Da gebe es auch schon einmal andere Argumente – und Vorurteile. „Dass jeder, der arbeiten will, auch Arbeit findet, stimmt schlicht nicht“, sagt Trabert, „und bei den Themen Vermögens- und Einkommenssteuer gibt’s natürlich ebenfalls oft Gegenwind.“ Dennoch sei es ihm besonders wichtig, in allen sozialen Kreisen zu sprechen und zu versuchen, mit Argumenten zu sensibilisieren.

Dass Armut und deren Folgen bereits einige Wochen nach der Bundestagspräsidentenwahl wieder weitgehend aus den Medien verschwunden sind, „kann ich verstehen. Es gibt schließlich viel über den völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine zu berichten“. Aber selbst, „wenn wir gerade die schmerzliche Erfahrung machen, dass man sich militärisch mehr ausstatten muss, um Gefahren von außen zu begegnen“, sei es ebenso wichtig, „die Gefahren von innen nicht zu ignorieren“. Er präzisiert: „Wenn wir jetzt nicht für arme Menschen da sind und ihnen helfen, dann verlieren wir sie möglicherweise für die Demokratie.“ Denn auch finanzielle Not mache Menschen empfänglicher für populistische Agitatoren. Das habe die Präsidentschaftswahl in Frankreich gerade gezeigt: „Marine Le Pen hatte den Verlust der Kaufkraft als Hauptthema im Wahlkampf und damit beträchtlichen Erfolg.“ Auch deswegen gelte es, etwas gegen die soziale Ungleichheit zu tun.

Als mögliche Sofortmaßnahmen nennt Trabert unter anderem die Erhöhung des Hartz-IV-Satzes auf gut 650 Euro, „damit eine Teilhabe an der Gesellschaft möglich ist“, die Einführung eines Mietendeckels und 13 Euro Mindestlohn. „Manchmal muss man das Unmögliche fordern, um das Mögliche zu erhalten“, sagt der Sozialmediziner, der sich außerdem für Bildungs- und Gendergerechtigkeit einsetzt.

Quelle: DIE RHEINPFALZ vom 28. April 22

 

Beschluss des Bundestages

„Einen Tag nach dem Beschluss des Bundestages der Ukraine schwere Waffen – samt Ausbildung daran – zu liefern, soll doch festgehalten sein, dass die Grenze zur aktiven Kriegsbeteiligung Deutschlands überschritten scheint.
Wo soll das enden? So wie 1914 als man in einen langen Krieg hineinrutschte, der das Europa von damals massiv veränderte.
Warten wir ab, was weiter geschieht!
Heute am 29.4.2022 sei dies festgehalten. Das ist eine Herausforderung für die Prekären in Europa.“
Rs

Trefffen des Roger Winterhalter Menschenrechtsbüros

Nächstes Trefffen des Roger Winterhalter Menschenrechtsbüro ist am 14 Mai in Offenburg.Dabei geht es um eine inhaltliche Vernetzung des MR- Büros mit anderen Menschenrechtsgruppen und Unterstützungsprojekten. Im Krieg in der Ukraine entstehen in Europa neue Dimensionen von Verletzungen der Menschenrechte, dazu können wir nicht schweigen. Die Menschen- würde ist massiv gefährdet. Wer den Krieg überlebt, ist von Armut bedroht. Es wird in Europa die soziale Ungleichheit zunehmen. Die Menschen werden von nationalistischen Bewegungen beeinflusst. In ihrer Angst und in ihrer Chancenlosigkeit vertrauen sie den politischen Parolen dieser Akteure. Die lak-bw steht dem entgegen.
Rs.

Informationen zur diesjährigen Aktionswoche

Einige Informationen zur diesjährigen Aktionswoche <Armut bedroht alle> der gemeinsamen Landesarmutskonferenz LAK-BW:

  • Dauer -21.10.22
  • Kampagnenthema 2022: „Armut im Klimawandel – ökologisch, gesellschaftlich, solidarisch“
  • Konzeption der Aktionswoche: gemeinsame Arbeitsgruppe der Netzwerke und der beiden Sprecher der LAK-BW
  • Ort: Stuttgart und in allen Landesteilen vor Ort mit jeweils einem eigenen Programm, Ansatz und Intensität
  • Formen vor Ort: Aktivitäten von Menschen in Armutslagen/von niederschwelligen Einrichtungen, von aufsuchenden Diensten von lokalen Netzwerken
  • Finanzierung: Eigenmittel vor Ort in der Fläche, Zuschuss des Sozialministeriums zu allgem. Kosten der Öffentlichkeitsarbeit
  • Materialien: Reader aus der Reihe der Vorbereitungsgruppe, demnächst digital verfügbar auf der homepage der lak-bw, nw 1 und der homepage der Liga BaWü

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Sie bewegt sich doch: Politische Bildung in Baden-Württemberg

„In der Jugendherberge Stuttgart trafen sich gestern am 31.3.22 zahlreiche Betroffene Menschen in prekären Lebenslagen, um im Rahmen eines workshops die Inhalte der politischen Bildung in Baden Württemberg zu besprechen.
 
Die Moderation im Auftrag des Netzwerks Politische Bildung erfolgte durch Doris Kölz von der lak-bw und Anja Dargatz von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Dabei ging es um eine Analyse der eigenen Erfahrungen, der Konsequenzen und um Empfehlungen für eine Reform der politischen Bildung.
 
Die Politische Bildung muss die Menschen in prekären Lebensverhältnissen erreichen, sie muss niederschwellig und aufsuchend sein. Sie muss was mit dem Leben der Menschen zu tun haben, muss sie motivieren und befähigen, sich zu organisieren und sich in die gesellschaftlichen Dialoge einzumischen. Das soll am 19. Mai mit den Vertretern der Landtagsfraktionen diskutiert werden.
Erster Schritte wäre die Installierung von Pilotprojekten bei den Trägern der Politischen Bildung. Das kann auch bei Volkshochschulen oder in Bereichen niederschwelliger Sozialarbeit sein. Mindestens eine „Personalstelle Politische Bildung“ in jedem Landkreis für einen solchen Bildungsansatz wäre das erste Ziel in Baden- Württemberg.“
 
Roland Saurer

Vorstandswahl der BBI 2022

Die Bundesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen BBI ist eine Partnerorganisation der lak-bw. Sie hatte Wahlen am vergangenen Samstag. Dem neuen Vorstand gehören Uwe Aschenbrenner und Robert Trettin an, gemeinsam mit Doris Kölz, Anne Jeziorski, Harry Widmann, Johannes Kwiasowski und Roland Saurer bilden sie ein starkes Team. Sie setzen Schwerpunkte sozialpolitisch in der nak, der nationalen Armutskonferenz und in der Bundesinitiative #von unten. Sie arbeiten zusammen mit dem europäischen Netzwerk der eapn, dem european anti poverty Network.

Roma Minderheiten in Serbien und Nordmazedonien

„Mit diesen Balkan-Ländern und ihren Roma Minderheiten versuchen wir zusammenzuarbeiten. Dank des Flüchtlingsrat Baden -Württemberg haben wir Kontakt zu Jovana in Serbien und zu Albert in Nordmazedonien. Sie sind für die Reintegrationsprogramme von abgeschobenen Familien oder meist Einzelpersonen aus Westeuropa zuständig. Die Zahlen der sozialstrukturellen Benachteiligung dieser Roma Minderheiten dort sind eklatant. Wir versuchen diese Länder in die 6-Länder-kooperation in Zukunft einzubeziehen. Ein langer Weg, aber wir gehen ihn und verknüpfen ihn mit dem Roger-Winterhalter-Menschenrechtsbüro der lak-bw in Offenburg. Wir berichten weiterhin!
Roland Saurer“