Wolfram Frommlet
Landesarmutskonferenz Stuttgart, 17. Oktober 2024
Laudatio auf Klaus Jünschke
„Friede den Hütten , Krieg den Palästen“
schrieb der 20jährige Georg Büchner 1834 in seiner Streitschrift
„Der Hessische Landbote“.
„Im Jahre 1834 siehet es aus, als würde die Bibel Lügen gestraft.
Es sieht aus, als hätte Gott die Bauern und Handwerker am fünften Tage und die Fürsten und Vornehmen am sechsten gemacht, und als hätte der Herr zu diesen gesagt: ›Herrschet über alles Getier, das auf Erden kriecht‹, und hätte die Bauern und Bürger zum Gewürm gezählt.
Im Großherzogtum Hessen sind 718.373 Einwohner, die geben an den Staat jährlich an 6.363.436 Gulden, als Steuern
An 700.000 Menschen schwitzen, stöhnen und hungern dafür. Im Namen des Staates wird es erpreßt, die Presser berufen sich auf die Regierung, und die Regierung sagt, das sei nötig, die Ordnung im Staat zu erhalten. „
190 Jahre nach Büchners Hoffnung auf eine revolutionäre Erhebung der Armen hat der Neo-Liberalismus, hat der Spätkapitalismus die Ausbeutung der Bauern verlagert in die Ökonomien des Südens für unsere grünen Böhnchen aus Kenia, für unseren Kaffee, Kakao, für Palmöl, Avocados und Baumwolle.
Die Gegensätze zwischen den „Hütten“ und den „Palästen“ haben sich nicht geändert:
etwa 470.000 Menschen sind in Deutschland obdachlos, und leben unter extremster Armut
50.000 leben ganz auf der Straße, 70.000 in Einrichtungen der Kommunen und Freier Wohlfahrtspflege
Zwei Millionen Menschen können sich Grundnahrungsmittel nur leisten als Kunden, Kundinnen der 960 Tafeln mit 2.000 Ausgabestellen, die den rapide wachsenden Bedarf kaum mehr decken können.
Und dies in einem Land, das 110 Milliarden „Sondervermögen“ mal so nebenbei in die Rüstung steckt, wozu auch die Militarisierung des Weltraums mit einer Firma wie Air & Defence gehört.
Wie sehr das Ausmaß der Vermögensungleichheit unterschätzt wird, dafür liefert eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung Fakten: – Das reichste Prozent der Haushalte dürfte dann rund ein Drittel des Gesamtvermögens besitzen – und nicht nur ein Fünftel, wie mit herkömmlichen Methoden ermittelt. Amtliche Daten zum Vermögen von Superreichen fehlen, da keine Vermögenssteuer mehr erhoben wird.
Eine andere internationale NGO, Oxfam, hat deshalb eine EU-weite
Petition lanciert – TAX the RICH
Oxfam schreibt:
„Die Welt wird immer ungerechter: Eine kleine Gruppe Superreicher häuft Milliarde um Milliarde an, während 700 Millionen Menschen in extremer Armut leben. Um der wachsenden Ungleichheit und Armut etwas entgegenzusetzen, müssen Bildung, Gesundheit und Klimaschutz bei uns und weltweit mehr Priorität bekommen. Würden Superreiche ihren fairen Anteil beitragen, gäbe es dafür genug Geld.
Über 350.000 Menschen in der EU haben deshalb in den letzten Monaten eine europäische Vermögenssteuer gefordert.
Von den über 350.000 Unterschriften kamen rund 110.000 aus Deutschland – das zeigt, dass es hier eine breite Unterstützung für eine Vermögenssteuer gibt! „
In Deutschland werden jährlich Steuern im Umfang von rund 50 Milliarden Euro hinterzogen, dazu kommen weitere 50 Milliarden, die durch Steuervermeidungskonstrukte verloren gehen, schätzt die Deutsche Steuer-Gewerkschaft. Doch die Jagd auf Steuer-hinterzieher, international agierende Banden, die hierzulande ihr schmutziges Geld waschen, und andere Finanzbetrüger hat in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie eine große Lobby gehabt. Zu den „Steuerflüchtlingen“ – um das Wort Flüchtlinge mal anders zu benutzen – gehören nicht nur kriminelle Banden, sondern auch ehrenwerte Mitglieder der Oberschicht, der herrschenden Klasse dieses Landes. Millionenbetrüger wie die Fußballlegende Uli Hoeneß oder der Sternekoch Alfons Schuhbeck in München. Die Zahl dieser Typen, die im Knast landen, kann man an einer Hand abzählen.
Die anderen, die im Knast landen, weil sie die Mieten nicht mehr bezahlen können, die „Gefangen und wohnungslos“ geworden sind – so der Titel des Buches von Klaus Jünschke – die kommen bei RTL und anderen Verdummungssendern, in den Medien von Springer, Bauer und Burda nicht vor. Klaus Jünschke hat sie im Knast besucht, hat ihre Geschichten aufgeschrieben, die ein gesellschaftlicher Skandal sind in diesem Land, in dem soziale Gerechtigkeit ein Wegwerfprodukt geworden ist.
Klaus Jünschke, der aus seiner eigenen Biografie weiß, was Knast heißt, was Isolationshaft in einer Demokratie bedeutet,
Klaus hat sich nicht brechen lassen. Sein Buch schmerzt, tut weh
und macht Wut. Es verlangt einen Aufschrei.
Dafür größte Bewunderung, und Dank.
Und dafür den Gregor-Gog-Preis, zu dem Roland Saurer nun noch etwas sagen wird.
Foto: Überreichung des Gregor-Gog Preises durch Roland Saurer (Li.) an den Buch-Autor Klaus Jünschke (Re.).