„Armut bedroht immer noch Alle“, Mittwoch, 16.10.2024

2.Fachabend Armut des Caritas Baden-Württemberg in Freiburg in der 20. landesweiten Aktionswoche in Baden-Württemberg

 1.) Begrüßung durch Michael Karmann (Caritas Baden-Württemberg).

 Hr. Karmann verwies darauf, dass Baden-Württemberg ein reiches Bundesland ist, in dem es zu viele Menschen gibt, die von Armut bedroht und betroffen sind. Daraus ergibt sich eine wichtige Verantwortung. In der Armutswoche wollen wir uns den Fragen und Herausforderungen stellen. Dank an die Beteiligten in der Vorbereitung, auch an die Landesarmutzkonferenz-Netzwerk1 und an deren Sprecher Roland Saurer.

2.) Vortrag Prof. Dr. Ulrich Eith (Bildungshaus Wiesneck)

Thema: (bedrohte) Demokratie, Rechtspopulismus, Armut, Beteiligung und Antworten auf diese Herausforderungen.

Rechtspopulistische Haltungen finden sich zwar in allen Teilen der Gesellschaft, aber Inwiefern gibt es rechtspopulistische Haltungen auch bei armutsbetroffenen Menschen?

Hier ergibt sich eine klare Antwort aus der Statistik „Geringes Institutsvertrauen nach Einkommensgruppen“ (WSI-Armutsreport 2023):

Je niedriger die Einkommen, desto geringer ist das Vertrauen in die demokratischen Institutionen unserer Gesellschaft.

Dies gilt zwar auch für mittlere Einkommen und zeitweise Armutsbetroffene. Das Misstrauen gilt aber ganz besonders für dauerhaft armutsbetroffene Menschen: Bundestag (47%), Rechtssystem (37%), Polizei (22%), Politiker*innen (58%), Parteien (56%) !

Empirische Studien zeigen auch dass, Menschen eine rechtspopulistische Partei wählen, die selbst eine wirtschaftliche oder kulturelle Bedrohung wahrnehmen, zusammen mit einer empfundenen Benachteiligung gegenüber Fremdgruppen (idR Ausländer).

Rechtspopulismus ist insbesondere in Zeiten von Unsicherheit und Krisen attraktiv:

– Keine Garantie mehr auf ein Leben in Frieden. Kriege rücken näher.

– Keine Garantie auf den Fortbestand gewohnter Lebensumstände: Klimawandel, Digitalisierung, Generationenwechsel.

– Keine Garantie auf lebenslange Demokratie.

Die Folgen sind Ängste vor Bedrohung, Demokratieverdruss, empfundene Benachteiligung („die Fremden…“). Komplexes wird einfach und es gibt nur noch schwarz und weiß: „Die da oben (Politiker) – Wir da unten (das Volk) – „Die da …“(die Anderen, die Fremden). Medien werden zum Feindbild und die Freiheit der Medien gilt nur in einem „alternativen“ System sozialer Medien, die sich eigene Wahrheiten macht (z.B. „Reichsbürger“). Zudem: Verschwörungstheorien und law and order-Autoritarismus. 

Die Rechtspopulistische Agenda von Regierungen ist eine Gefahr für die Demokratie! Es besteht Europafeindlichkeit, ein einseitig traditionalistisches Familienbild, Homophobie, Anti-Transgender. „Volks-Meinung“ („Wir“) steht gegen Rechtsstaatlichkeit und Individualrechte. Das Grundgesetz wird in Frage gestellt. Es herrscht ein aggressiver Ton und die Grenzen des Unsagbaren werden verschoben und es gibt einen Verlust demokratischer Streitkultur.

Demgegenüber setzten wir auf die Agenda für eine offene Gesellschaft. Dies meint nicht eine naive „Heile Welt“, sondern Diskussion und Einsatz für gerechte Verhältnisse und Menschenrechte, klar aber respektvoll.

3.)Anschließende Diskussion und „fish-bowl“ (Podium)

Vertreter*innen der Landesarmutskonferenz, Ombudsstellen für Wohnungslosenhilfe und Jobcenterangelegenheiten, Sozialarbeit, engagierten Personen. Einige Stimmen:

Schluß mit dem „Armenbashing“! Es findet bis inzwischen sogar bei den sog. Parteien in der „demokratischen Mitte“ sogar bis hin zur SPD statt. Auch in der Diskussion um ein angeblich zu hohes Bürgergeld.

Wie soll man mit der zumindest in Teilen rechtsradikalen AfD umgehen?

   – Die AFD kann man nicht auf Verdacht ausschließen, Verbote helfen nicht.

   – Rote Linien aufzeigen und mutig dagegen halten! Sich im „sozialen Umfeld“ zeigen.

Es gibt viel Erfahrung von Benachteiligung armutsbetroffener Menschen in Behörden! Dort braucht es dringend eine menschlichere Sprache, z.B. in Bescheiden.

Hinweis auf Treffen für Menschen mit Armutserfahrungen (nak) 14.-16.11. in Berlin. Es gehe auch um eine Preisverleihung für Menschen mit Armutserfahrungen.

 

„Wahlrecht für Obdachlose“: Es braucht mehr Info und Einsatz für das Thema, z.B. auch mit Wahl-O-Mat. Leider wählen zu viele Armutsbetroffene die AfD.

– Es gibt unter armutsbedrohten und armutsbetroffenen Menschen das Gefühl nicht wahrgenommen zu werden („ich mag Dich, aber ich wähle trotzdem die AfD“). So gibt es eben den Versuch, über Wahlverhalten zu wirken.

Es braucht politische Bildung „von unten“, aufsuchend, basisnah.

– Vertreter der lak-bw (Netzwerk1) Uwe berichtet von seinem langjährigen Einsatz für das Recht marginalisierter Menschen, denn diese trauen sich häufig nicht ihre Meinung zu sagen, Arme würden oft zurückgesetzt. Sie sind keine Sache.

Arme brauchen eine Lobby, eine Interessensvertretung.

 

Ein Beitrag von Aki Kiok