LPK Aktionswoche „Armut bedroht alle“, 14.10.2024
Maren Diebel-Ebers, stellv. Vorsitzende DGB Baden-Württemberg
Es gilt das gesprochene Wort.
Sehr geehrte Damen und Herren,
last but not least möchte ich das Thema Wohnungsnot als absoluten Treiber von Armut hier in Baden-Württemberg ansprechen. Der Wohnungsmangel ist für viele Menschen zur Exis-
tenzfrage geworden. Gerade im sozialen Wohnungsbau ist die Situation dramatisch.
Mit 20 Sozialwohnungen auf 1.000 Miethaushalte liegt Baden-Württemberg deutlich unter dem Bundesdurchschnitt.
Seit Anfang der 2000er Jahre hat sich der Bestand an Sozialwohnungen halbiert und ist auf einem Tiefststand von 52.000 Wohnungen angekommen.
Die Folge: Fast 206.000 Sozialwohnungen fehlen bei uns im Land. Das entspricht nahezu der Einwohnerzahl von Freiburg!
Von einer Trendwende, von der das Ministerium für Landesentwicklung und Wohnen immer spricht, sind wir weit entfernt.
Der Sozialwohnungsbestand ist ein Armutszeugnis für Baden-Württemberg.
Die Leittragenden dieses Wohnungsmangels sind gerade armutsgefährdete Haushalte- wie Alleinerziehende, Menschen mit Migrationshintergrund und Familien.
Schon durchschnittlich liegt die Mietbelastungsquote in Baden-Württemberg bei 28,2 Prozent (Nettohaushaltseinkommen im Verhältnis zur Bruttomiete).
Schon diese Quote ist zu hoch.
Bei armutsgefährdeten Haushalten liegt die Mietbelastungsquote bei 44,8 Prozent. Das ist viel zu hoch.
Wenn fast die Hälfte des Monatseinkommens für Miete draufgeht, bleibt wenig übrig für das Leben.
Weniger Geld für Lebensmittel, Bekleidung, Energie und Gesundheit und erst recht kein Geld für Kino oder Theater.
Gesellschaftliche Teilhabe ist eingeschränkt oder gar nicht möglich.
Hohe Wohnkosten sind zu einem massiven Armutsrisiko geworden. Das Statistische Landesamt spricht von einem signifikanten Armutsrisiko für Miethaushalte.
Zusätzlich sind viele Wohnungen zu klein, in schlechtem Zustand und häufig gesundheitsgefährdend. Denken Sie an Schimmel, feuchte Wände, undichte Fenster, permanenten Straßenlärm, um nur ein paar Mängel zu nennen.
Aber nicht nur eine schlechte Wohnqualität ist die Folge der Wohnungsnot in Baden-Württemberg, sondern auch Wohnungslosigkeit.
Jetzt werden die Nächte kalt. Trotzdem kauern nachts Menschen auf Parkbänken und an Bushaltestellen – notdürftig gewärmt von Decken und Pappkartons. Das zu sehen tut weh!
Die Wohnungslosigkeit hat 2023 einen traurigen Spitzenwert von 76.510 Personen erreicht, davon allein ein Drittel Kinder unter 18 Jahren.
Die Zahl ist alarmierend.
All das zeigt, die Wohnraumfrage ist eine der drängenden Themen unserer Zeit geworden. Wohnungsnot ist sozialer Sprengstoff. Sie macht es Rechtspopulisten leicht, die Not der Menschen auszunutzen und sozial schwache Menschen gegen noch schwächere aufzuhet-
zen.
Was wir jetzt brauchen, ist die gemeinsame Anstrengung von Bund, Land und Kommunen.
D.h.
1. An das Land: Die Fördermittel müssen für den Sozialen Wohnungsbau aufgestockt werden.
Die Erhöhung der Landesmittel im neuen Doppelhaushalt ist richtig und wichtig, aber erst der Anfang.
Wir brauchen eine Milliarde Euro an Fördermitteln jährlich und die klare Priorität für den sozialen Wohnungsbau.
Das Windhundprinzip für den Fördertopf der L-Bank muss endlich weg. Die Mittel müssen nach der Dringlichkeit der Bedarfe vergeben werden.
2. An den Bund: Die Gemeinwohlorientierung im Wohnungsbau muss endlich wieder eingeführt werden.
Wir brauchen eine aktive gemeinwohlorientierte Bodenpolitik.
Grund und Boden muss an soziale Wohnbauprojekt prioritär vergeben werden.
3. An die Kommunen: Die Wohnungssituation muss verbessert werden, dazu müssen alle wohnungspolitischen Instrumente wie Mietpreisbremse, Zweckentfremdungsverbot in den Kommunen angewandt und scharf gestellt werden.
In Bayern gilt die Mietpreisbremse in 200 Kommunen, warum in Baden-Württemberg nur in 89?
Kommunale Wohnungsbauunternehmen müssen gestärkt und durch einen Landeswohnungsbaugesellschaft unterstützt werden.
Die Schaffung von sozialem Wohnraum ist eine der wichtigsten Aufgaben im Kampf gegen Armut und für mehr soziale Gerechtigkeit.
Quelle: DGB-BW-Aktionswoche 2024