9 Thesen zum landespolitischen Gespräch am 23.10.20 mit den Landtagsfraktionen in Stuttgart

VertreterInnen der Landesarmutskonferenz, der freien Wohlfahrtspflege und der Volkshochschule Ba-Wü, sowie der Landtagsfraktionen trafen sich am 23.10.20 zum Abschluss der Aktionswoche Baden-Württemberg im Stuttgarter Landtag zum landespolitischen Gespräch

Die neun Thesen der lak-bw e.V. hierzu zum nachlesen:

Bild von <a href="https://pixabay.com/de/users/sandra_schoen-53876/?utm_source=link-attribution&amp;utm_medium=referral&amp;utm_campaign=image&amp;utm_content=1469583">Sandra Schön</a> auf <a href="https://pixabay.com/de/?utm_source=link-attribution&amp;utm_medium=referral&amp;utm_campaign=image&amp;utm_content=1469583">Pixabay</a>Pierre Bourdieu: „Prekarität ist überall!“
Grenoble, 1997

  • 1. Die Covid 19 Pandemie hat Gewinner – weltweit – nämlich die Konzerne
    der globalen Digitalisierung, die Produzenten der Technolgie der vielen
    Computer und smartphones, dem Ausbau der Technologie von
    Breitbandkabeln und W-lan-Systemen. Des weiteren gehören zu den
    Gewinnern die Konzerne der Pharmaindustrie.
  • 2. Die Covid-19 Pandemie hat viele Verlierer:
  • Die Erkrankten, die verstorbenen Personen, die Menschen ohne
    gesundheitlichen Schutz, d. h. jene die keine Krankenversicherung
    haben, jene die bei uns in Deutschland sans papiers leben, jene die in
    vielen Ländern dieser Welt keine funktionierenden Gesundheitssysteme
    haben, jene die in absoluter Armut leben, die auf der Flucht sind, die sich
    keinerlei elementare Versorgung rein materiell leisten können. ( Das
    Fehlen von Obdach, Kleidung, Nahrung.)
    Weitere Verlier sind jene, die weder Zugang noch Besitz von
    Kommunikationssystemen haben, die die Kosten von Digitalisierung und
    die laufende Teilhabe an der medialen Kommunikation nicht bezahlen
    können, die über keinen gesicherten Zugang zu Energie verfügen. Keine
    Steckdose ganz banal gesagt.

  • 3. Die sozialen Gefahren der Pandemie und ihre Betroffenen kennen wir
    zwischenzeitlich:
    Geschäfte schliessen, Menschen werden entlassen, Menschen befinden
    sich in befristeter Kurzarbeit. Die sozialen Proteste gegen Covid 19 –
    Massnahmen nehmen zu, die Gesellschaft spaltet sich in einen
    zunehmenden Teil von in Armut und Prekarität befindlichen Teil und in
    einen immer reicher werden Teil von Millionären wie Milliardären. Was
    auch auffällt, ist eine neue Kultur des Abstandes von 1, 5 Metern bis hin
    zum isolierten Sterben in Krankenhäusern oder Pflegeeinrichtungen.

  • 4. Was wir auch befürchten, ist eine zunehmende Kritik und Wut aus den
    gesellschaftlichen Bereichen von Familien, Vereinigungen, Vereinen,Organisationen der Zivilgesellschaft, den Parteien, der Universitäten und
    Bildungseinrichtungen bzgl. der voranschreitenden Aushöhlung von
    Grundrechten: der Versammlungsfreiheit, des Rechts auf Soziale
    Sicherheit, Bildung, Gesundheit bis hin zu Grundbedürfnissen eines
    gesicherten bezahlbaren Wohnens.

  • 5. „Der Sozialstaat ist die zentrale Instanz, die die Gesellschaft aber auch
    unsere Wirtschaft zusammenhält.“ So heisst es in einer Erklärung der
    SPD- Bundestagsfraktion vor wenigen Wochen. Da gibt es Überlegungen
    durch Bürgergeld, bedingungsloses Grundeinkommen, erhöhte
    Mindestlöhne die Zonen bisher verordneter staatlicher Armutspolitik zu
    verlassen. Ein gutes Beispiel wäre die Durchsetzung einer
    Kindergrundsicherung, die dem Verbleib von 2 Millionen Kindern in
    Deutschland im Hartz IV System ein Ende machen würde.

  • 6. Menschen in Erwerbslosigkeit, in Altersarmut, Menschen in
    lebenslanger Armut sind sozial massiv gefährdet. Sie sterben früher,
    erkranken häufiger, sind gesellschaftlich bis zu 3 mal weniger aktiv als
    andere. Bei näherer Betrachtung der Coronaerkrankten fallen Menschen
    zunehmend auf, die arm sind, die miserabel wohnen, die keine
    Krankenversicherung haben, die zur Gruppe der Migranten sowie
    farbigen Bevölkerung (zumindest in den USA) gehören.
  •  
  • 7.   Was tun in Baden-Württemberg?
        – Den Sozialstaat in Baden-Württemberg sichern, ihn erhalten und
          ausbauen (aktuell wie präventiv). Ein Ende der neoliberalen Ideologie.
        – Die Lebensqualität in den Zentren wie in den Regionen sozial sichern,
        – Staat, Gesellschaft und Institutionen wie wir Bürger selbst müssen
          eine erhöhte Sensibilität für die von Vulnerabilität bedrohten
          Bevölkerungsgruppen entwickeln, z. b. für Menschen in Isolation, für
          Menschen in Obdachlosigkeit, für Menschen in Wohnungsnot, für
          Menschen auf der Flucht, für Menschen in psychischer wie
          körperlicher Not.
        – Es braucht Schutzräume für Menschen in Not, die seitens der
          Kommunen zur Verfügung stehen müssen, die qualifiziert betreut
          sind, die den medialen Zugang zu Hilfs- und Informationsquellen
          ermöglichen.
  •     – Es braucht nochmals eine gewaltige Anstrengung, dass niemand in
          den kalten Jahreszeiten draussen auf der Strasse schlafen muss.
        – Es braucht eine klare Entscheidung in BaWü, dass Familien mit
          Kindern in guten Wohnungen untergebracht werden, wenn deren
          Wohnungsverlust oder der Zustand der Obdachlosigkeit nicht zu
          vermeiden ist. Vielleicht ist hier eine Landesvorgabe an die
          Kommunen per Verordnung notwendig.

  • 8. Neuer Gesellschaftsvertrag: Wir haben den 2-tägigen Kongress „Kinder-
    und Familienarmut“ hinter uns. Wir befinden uns in der 17.
    Aktionswoche 2020: „Armut bedroht alle“. In gewissem Sinne entsteht
    aus den Erfahrungen dieser Tage ein Bedürfnis über einen „neuen
    Gesellschaftsvertrag“ nachzudenken. Ein Prozess, der Grund und
    Menschenrechte in unserem Bundesland stärkt, der die gesellschaftliche
    Spaltung in Reich und Arm reduziert, der ökologische Ziele befördert. Der
    für eine gerechte Welt eintritt, sodass die „Pandemie nicht zu einer
    globalen Katastrophe“ ausartet, wie das Papst Franziskus dieser Tage
    genannt hat.

  • 9. Wir denken, der Landtag müsste nach 10 Jahren Armutsbekämpfung in
    BaWü einen weiteren Impuls in der kommenden Legislaturperiode
    setzen:
  • – Die Armutsbekämpfung in BaWü geht weiter! Konsequent und
      nachhaltig, getragen von Land und Kommunen sowie der
      Gesellschaft.
    – Dieser Prozess braucht eine Steuerung: mittels eines gesicherten
      Dialogs aus Politik, Landesregierung, Landtag, den Kommunen sowie
      allen Partnern aus den sozialen, wirtschaftlichen, kulturellen,
      kirchlichen, gewerkschaftlichen, wissenschaftlichen wie
      zivilgesellschaftlichen Feldern
    – Diese Etablierung einer Steuerung braucht zumindest Vorgaben des
      Landtages, Leitimpulse und zu definierende Ziele.
    – Es müssen Aspekte einer individuellen wie kollektiven
      Kapitalienbildung im Bereich der Ökologie, der Ökonomie, einem
      nachhaltigen Konsum, Bildung, Kultur und sozialem
      Zusammenleben, einer Verpflichtung gegenüber Grund- und
      Menschenrechten aufgenommen werden.

Darüber lasst uns reden.
Doris Kölz
Lak-bw e.V.
23.10.2020

Schreibe einen Kommentar