15. Aktionswoche Baden-Württemberg: Armut bedroht Alle! – 15.10. – 21.10.2018 Schwerpunktthema in 2018 Teilhaben//Teilsein – Bildung, Arbeit, Wohnen sind Menschenrechte.
Seit 2012 haben sich Basisinitiativen, DGB-Gewerkschaft und Sozialverbände in Baden-Württemberg zusammengeschlossen, um in Form der Landesarmutskonferenz Baden- Württemberg soziale und politische Einmischung in die Landespolitik zu garantieren.
Zu den Projekten dieser LAK-BW gehört die im Jahr 2003 gestartete landesweite Aktionswoche: Armut bedroht Alle!. Zu diesem Grundmotto gehört jedes Jahr ein besonderer Schwerpunkt, der 2018 auf „Teilhaben/ Teilsein“ liegt.
Damit ist sicherlich mehr gemeint, als dass jeder Bürger in Baden-Württemberg wenigstens eine Scheibe Brot auf seinem Teller hat. Dazu gehören Möglichkeiten der Bildung, eine gute Arbeit, ein Dach über dem Kopf. sind die Symbole auf der Werbekarte zur Aktionswoche (Brot für Leben, Werkzeug für Arbeit, Schreibstifte und Lineal für Bildung).
Menschenrechte auf Bildung, auf Arbeit, auf Wohnen sind die ersten konsequenten Schritte. Sie gehören in unsere Landesverfassung! Das Menschenrecht auf Teilhaben/Teilsein ist konsequenter nächster Schritt. Auch Teilhaben oder Partizipation gehören in die Landesverfassung.
Darum muss man in einer modernen Gesellschaft gesellschaftlich streiten. Fragen stellen sich, Antworten brauchen Mehrheiten. Was ist gemeint? Ist das Wahlbeteiligung, Pressefreiheit, Volksbegehren, aktives und passives Wahlrecht, ist das repräsentative Demokratie, demokratische Mitsprache am Arbeitsplatz, das Recht Gewerkschaften oder Parteien zu gründen? Aus dem Armutsbericht der Landesregierung von 2015 ist abzuleiten, dass Menschen mit wenig Geld, mit einem Leben in prekären Verhältnissen oder gar ganz am Rande der Gesellschaft, in vielen Belangen nicht mehr beteiligt sind.
Im Klartext heißt das:
- Erwerbsleben und damit gutes Einkommen: Working poor, erwerbslos, Armut im Alter
- Bildung und sozialer Aufstieg: Vom Ende eines Versprechens der 70er/80er Jahre
- Wohnen: Knappheit, Unbezahlbarkeit und vielfach drohendem Verlust: die neue soziale Frage schlechthin.
- Gesundheit: Wer arm ist, stirbt früher!
- Prekarität: Generelle Unsicherheit und „die soziale Frage des 21. Jahrhunderts“
- Armut & Ausgrenzung: Zunahme der Armutsgefährdung, Akzeptanz von Armutsökonomie in Form von Tafelläden, Kleiderläden, Wärmestuben und Flaschensammlern und Bettelei
- Gesellschaftliche Spaltung: Realität und drohende Chronifizierung.
Und die Beteiligung am Reichtum, am gesellschaftlich vorhandenen Vermögen? Wenn man den Zahlen für Deutschland glauben mag, gehören
- einer Gruppe von 10 % der Bevölkerung rund 58 % dieses Reichtums
- einer Gruppe von 40 % der Bürger teilen sich etwa 40 % dieses Reichtums
- einer Gruppe von 50% der Bürger (die Hälfte!!!!) rund 2 % des Reichtums.
Und nun? Die Zahlen in Baden-Württemberg sind nicht besser, sie sind gleich. Die anderen Kennzahlen für Armut, Ausgrenzung und gesellschaftliche Ränder sind in Baden-Württemberg dieselben wie im Bundesgebiet. Daran hat sich in Baden-Württemberg seit einem Jahrzehnt nichts geändert.
Nur wissen wird das heute weit genauer. Dank der Armutsberichterstattung des Landes und der laufenden Fortschreibung der entsprechenden Zahlen. Dafür wurden mehrere Dutzend Indikatoren festgelegt, die der Beirat zur Armutsbekämpfung beim Sozialministerium und das Statistische Landesamt permanent im Auge hat.
Partiell wurden Fortschritte erzielt: Kinder- und Familienarmut, Unterversorgung in den vorschulischen Bereichen wurde überwunden, Projekte sozialer Inklusion auf die Schiene gebracht. Ein breites Netzwerk zur Weiterentwicklung der „Politischen Bildung für und mit Menschen in prekären Lebenslagen“ hat sich gebildet und dieses wird am 17. Oktober einen ersten öffentl. Aufschlag machen. Grundlage ist ein „Stuttgarter Manifest zur Politischen Bildung für und mit Menschen in prekären Lebenslagen“.
Doch „Teilhaben // Teilsein“ ist weit mehr: Ganzheitliche Beteiligung – garantierte Menschenrechte und Menschenwürde. Dafür ist eine politische Agenda in Baden-Württemberg zu entwickeln. Diesen Diskussionsstrang wollen wir am 19.10.2018 mit einer Diskussion mit Landespolitikern etc. aufgreifen: „Teilhabe in Baden-Württemberg? – Wo stehen wir und wo wollen wir hin?“
Verbleiben Aufgaben und Projekte in den kommenden Jahren:
- für soziale, kulturelle, religiöse und gesellschaftliche Werte wie Toleranz, Fairness und die Bereitschaft des Einsatzes für Demokratie und Menschenrechte,
- Akzeptanz und Bekenntnis zur Migrationsgesellschaft in Baden-Württemberg,
- der Landespolitik, der Kommunen und Landkreise, der Zivilgesellschaft, der Stiftungen und sozialen Verbände, der Kirchen und Gewerkschaften, aller gesellschaftlichen und privaten Akteure zum Ausbau von Partizipation und Teilhabe,
- der öffentlichen und sozialen Sicherheit, des freien Zugangs zu Institutionen der Bildung, Einbindung in soziale Organisationen, Hilfen und Solidaritäten in den Nachbarschaften der Wohnquartiere, bezahlbare gesundheitliche und pflegerische Grundversorgung,
- eine Agenda der Ökologie, eines fairen ökonomischen Wachstums,
- Überwindung von Armut, Ausgrenzung und Ungleichheit.
Daran wollen wir mitwirken. Daran müssen wir uns messen lassen. Daran wollen wir uns mit vielen Menschen beteiligen. Niemand ist allein, gemeinsam sind wir stärker.
Rottweil/Karlsruhe/Stuttgart, 15.10.2018
Die Sprecher der Landesarmutskonferenz
Roland Saurer, nw 1
Dr. Ulrike Hahn, nw 2