Anmerkungen zu einem trinationalen Gespräch in Basel

Wir trafen uns und sprachen über

  1. Rückschau auf das Projekt am 19.11.2016 in Mulhouse:

     „Un monde de guerre et de desordre“

  1. Einschätzung zu einem Projekt 2017 „Themenfindung“
  2. Thesen zur Kooperation zwischen drei Ländern am Oberrhein

Aus den einzelnen Berichten über die workshops nachstehende Anmerkungen:

 

Projekt Mulhouse, 19.11.2016

Auf der Basis vorliegender Rückmeldungen, Protokollnotizen oder Zusammenfassungen aus den erfolgten workshops haben sich nach unserer Auffassung einige sinnvolle Überlegungen ergeben, die wir weiterverfolgen sollten.

Zudem haben wir den Beitrag von Ms. Federman positiv erlebt. Er war anregend, kreativ und von sozialen Grundelementen charakterisiert, die einen anderen Umgang/Kommunikationsverhalten der Menschen spüren ließen:

  • Atelier II: Flucht und Migration

Unser Konsumverhalten in den westlichen Gesellschaften entzieht den Ländern wichtige Ressourcen an Rohstoffen, dort bilden sich keine ökonomischen Wertschöpfungsketten und zudem findet ein ständiger Verlust an befähigten, ausgebildeten und motivierten Menschen statt. Statt demokratischen nachhaltigen Entwicklungen bilden vielfach militärische Konflikte bzw. ethnisch-religiöse Konflikte die Perspektiven dieser Regionen (Länder). Dieses alles erzeugt Ströme von Migration und Flucht. Ohne Bewusstseinswandel in unseren Gesellschaften wird sich dieser Mechanismus nicht verändern.

 

  • Atelier V: Grand precarite

Die Zahl der Diskriminierten in unseren Gesellschaften ist extrem hoch: erwerbslose, Prekäre, Obdachlose, Kranke, Behinderte, Homosexuelle, Gefangene, Haftentlassene, Migranten, Illegale, Sans Papiers, Farbige etc. Durchsetzung von Menschenrechten wie

Wohnen/Gesundheit/Arbeit/Bildung/Teilhabe etc., politische Vertretung der Diskriminierten. Selbstorganisationen aufbauen, eigene kommunikative Netze a la Radio, Socialmedia; diskriminierte Gruppen erreichen und ansprechen und sie aktiv einladen,.

 

  • Atelier 3: Militarisierung, Rüstung, Kriege

Der Komplex ist kaum zu durchschauen. Wir stehen vor einer gewaltigen Aufrüstung, wir führen kriege, wir bereiten den krieg durch eigenes Verhalten als Konsumenten mit vor. Krieg um Märkte, um Rohstoffe, um Technologien machen aus Freunden Feinde, säen Unfrieden zwischen Nationen und Völkern. Die Loyalität zum Krieg ist zu durchbrechen. Unsere Regionen am Oberrhein produzieren für die Rüstung, die Menschen stellen sich auf Kriege ein, obwohl sie den frieden wünschen.

 

–      Atelier 4: Arbeit heute und wie wollen wir morgen arbeiten?

Arbeit in der Zukunft? Produktion, Dienstleistung, Wissenstransfer, Bildung, Erziehung,  Care, Gesundheit, Freizeit und Konsum etc. schaffen neue Märkte und neue Arbeit. Digitalisierung wird grosse Veränderungen auslösen. Neue Formen von Leben werden entstehen, Leben in Erwerbsarbeit und Leben in Nichtarbeit werden sich abwechseln. Soziale Rechte müssen in Europa als Standards formuliert werden. Ökologie und Natur als Grenzen des Wachstums begreifen. Soziale Gerechtigkeit statt gesellschaftliche Spaltung in Reich und Arm.

 

Überlegungen zu einem Projekt: Trinational in 2017 ????????

 

Wir sind in  unserem Gespräch in Basel zu Dritt auf das Thema gestoßen: Bedeutung von Regionalismus für die Menschen, für ihre Identität, für ihr Bewusstsein. Wie gehen die Menschen mit dem Regionalismus, ihrer Historie um,  den sie als Migranten, als Flüchtlinge, als Arbeitssuchende erleben? Wie erleben Kinder und Jugendliche oder Familien die Prägungen des Regionalismus?

Wir sind im Gespräch auf unterschiedlichste Regelungen. Auf Einschätzungen, auf kulturelle Grundmuster in unseren drei Ländern gestoßen. Manches hat Generationen überlebt, manches wird erst durch Erinnerungsarbeit wieder bewusst.

In der Schweiz, lt. Mariann Gloor,  besteht bei allen Verschiedenheiten der Kantone, ihren eigenen Identitäten dennoch ein gemeinsames Verständnis der Geschichte und Traditionen, die wichtiger erscheinen als der Kampf um Geld, Profite und ökonomisches Wachstum.

Im Elsass-Lothringen gäbe es lt. Michel Mueller eine gewisse Renaissance des Regionalen, was nicht politisch rechtslastig sei. Sprache, Kultur, Geschichte, ein wachsendes Bewusstsein der eigenen Werte, eine gewisse Skepsis gegenüber dem französischen Zentralismus.

In Deutschland sei eine sehr gemischte Gesellschaft im Sinne sozialer Melange entstanden, lt. Roland Saurer. Zwei Weltkriege, die über 10 Millionen Geflüchteten 1945 aus dem deutschen Osten, die Zuwanderung der Gastarbeitergenerationen, die Aufnahme der 3 Mill. Deutschen aus den Gebieten der Sowjetunion, Polen u. Osteuropa etc., die Bildung einer grossen türkischen Community, der Fall der Berliner Mauer 1989,  die deutsch-deutsche Vereinigung von 1990 etc., die rd. 2 Mill. Flüchtlinge 2014/2016  haben die Gesellschaft mächtig verändert. In diesem Zusammenhang steht die Debatte um die Zukunft als Zivilgesellschaft, weil sie eine andere Identität stiften könnte als die Renaissance des Nationalen/Nationalistischen.

 

Es sind mehr Fragen als Antworten geblieben! Und dennoch hat sich im Gespräch gezeigt wie prägend diese Regionalismen sind:

  • Getrennte Wege und Verwerfungen,
  • gemeinsames Wissen und Werte,
  • perspektivisches Leben in Frieden und Gerechtigkeit

in allen drei Ländern ist davon was zu finden.

 

Könnte das ein trinationales Projekt für 2017 sein?

 

 

Im Gespräch haben wir noch eine weitere Idee erörtert:

Was bedeutet unsere trinationale Zusammenarbeit, die Diskurse, die menschlichen Begegnungen?

Dazu könnte man Thesen bilden, die einerseits als Dokument dienen, die andererseits Symbol eines ungewöhnlichen Prozesses sind.

These 1:

Am Oberrhein haben sich Menschen und Institutionen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen (Arbeitswelt- Frieden und Gerechtigkeit – Kultur – Bildung – ……………………) seit einiger Zeit bzw. Jahren zusammengeschlossen.

 

These 2:

Dieser Prozess gehört zu den sozialen Bewegungen in der Schweiz, in Deutschland und Frankreich. Die Personen und Organisationen sind in ihren Ländern in einem breiten Netzwerk verankert. Dort sind die Quellen der Stärke und Kraft, die die sozialen Gruppierungen zu relevanten politischen Akteuren werden lassen.

(chomeurs, pecarite, migration, democracie, culture, travail, education, science, urbanisme, nature, internet  etc.)

 

These 3

In den gemeinsamen Diskussionen und Projekten  sichert der Austausch neue Erfahrungen, erschliesst neue Argumente, bildet neue Normen und Werte. Dies führt zu einem neuen Verständnis von Leben und gemeinsamen Überzeugungen, die unsere Gesellschaften verändern werden.

 

These 4

Die neue Sensibilität fürs Leben führt zu einem verstärkten Arrangement mit Menschen und Gruppierungen, die zu den ausgeschlossenen, den überflüssigen, den verachteten  Personen und Gruppen gehören. Inklusion statt Exklusion wird somit zum politisch-sozialen Programm. Dieses Programm beinhaltet Elemente von Menschenrechten, Demokratie, aktiver Partizipation und sozialer Gerechtigkeit.

 

These 5

Unser Anspruch ist eine Ethik der Gleichwertigkeit aller Menschen, der aktive Kampf gegen Rassismus und Ausgrenzung, die Beteiligung aller Menschen an ihren existentiellen Bedürfnissen, durch Kommunikation und Fairness gemeinsames Handeln zu sichern.

 

  1. A. Roland Saurer

Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg

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