„Demokratie ist keine Glücksversicherung, sondern das Ergebnis politischer Bildung und demokratischer Gesinnung.“ Theodor Heuss
Die Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg und die Landeszentrale für politische Bildung luden gemeinsam am 10. Februar zu einem gemeinsamen Treffen in die Räumlichkeiten der LPB in Stuttgart ein. Dieser Einladung folgten rund 30 Personen, welche man in folgende Kategorien einteilen kann: von Prekarität betroffenen Personen, organisiert in der lak-bw, Vertretern der Politischen Stiftungen in Baden-Württemberg, den Akademien in BaWü, den Bildungsengagierten aus der DGB-Gewerkschaft, Vertretern aus dem Kultusministerium, dem VHS-Landesverband, Professionellen aus niederschwelligen Sozialeinrichtungen, Personen aus der Sozialarbeitswissenschaft incl. dem Berufsverband Sozialer Arbeit
Das Treffen stand unter dem Motto: „Politische Bildung von und mit Menschen in prekären Lebenslagen“. Besonders bemerkenswert ist, dass ein vom Sozialministerium speziell für dieses Treffen zusammengestelltes Papier mit den wesentlichen Daten aus dem Armutsbericht BaWü zu politischem Interesse, Wahlverhalten, gesellschaftlicher Beteiligung an Vereinen und Organisationen incl. Engagements im Bereich des Ehrenamtes vorlag. Den Bericht kann man unter www.sm.baden-wuerttemberg.de herunterladen.
Die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg ist eine überparteiliche Bildungseinrichtung, die Politik praktisch und lebensnah vermittelt. Sie hat die Aufgabe, die politische Bildung in Baden-Württemberg auf überparteilicher Grundlage zu fördern und zu vertiefen.
Ziel sind die Festigung und Verbreitung des Gedankengutes der freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Auf dieser Grundlage bietet die LPB immer wieder politische Veranstaltungen an und gibt auch Publikationen heraus. Sie hat aber, wie andere Organisationen auch, die Erfahrung gemacht, dass gerade Menschen die in Armut leben davon keinen oder wenig Gebrauch machen. An diese Zielgruppe, welche überwiegend mit ihren alltäglichen Problemen beschäftigt sind, gilt es heranzukommen.
In einer zweistündigen Diskussion stellten wir fest, dass politisches Interesse und andere Formen politischer Beteiligung bundesweit – auch in Baden-Württemberg – über alle Schichten hinweg ungleich verteilt sind. Dabei zählen Arbeitsuchende und Personen mit Niedrigeinkommen zu den politisch weniger Interessierten und Aktiven. Aber Armut führt nicht zwingend zu einer Reduzierung des politischen Interesses. Vielmehr stellen schichtspezifische Merkmale bzw. die soziale Herkunft starke Prädiktoren (Variablen) für politisches Interesse dar. So ist man z. B. mit wenig Geld nicht unbedingt mobil um (weiter entfernte) Treffen mit Gleichgesinnten wahrzunehmen, kann sich keine Tageszeitung kaufen, usw. Hier stellt sich die Frage für alle Diskutierenden „Wie erreichen wir die Zielgruppen?“
In der Diskussionsrunde waren auch Teilnehmer vertreten die mit Wohnungslosen arbeiten. Es wurde festgestellt dass Wohnsitzlose möglicherweise die gleichen Interessen an politischen Aktivitäten haben können wie beispielsweise Lehrer oder andere gut situierte Menschen. Aber auch hier gilt: Mit wenig finanziellem Spielraum kann man an Aktivitäten jeglicher Art nicht teilnehmen.
Menschen mit wenig oder gar keiner Schulbildung müssen in ihren Entwicklungsprozessen genauso eingebunden werden. In der Diskussion wurde vielfach Paulo Freire genannt, ein brasilianischer Pädagoge, der die problemformulierende Bildung als Alternative zu anderen Bildungsansätzen sieht. „In der problemformulierenden Bildung entwickeln die Menschen die Kraft, kritisch die Weise zu begreifen, in der sie in der Welt existieren, mit der und in der sie sich selbst vorfinden. Sie lernen die Welt nicht als statische Wirklichkeit, sondern als eine Wirklichkeit im Prozess sehen, in der Umwandlung.“
Weiter stellten wir fest, dass Sozialarbeit und politische Bildung für viele Akteure zwei verschiedene Welten sind. Denn sozial wird vielfach verwechselt mit öffentlichen Leistungen wie „Hartz 4“, „Sozialhilfe“, usw. Aber sozial heißt auch gesellschaftlich und politisch aktiv sein, wie Günter Rieger anmerkte. „Das Politikfeld Sozialarbeitspolitik“ stellt Günter Rieger die politische Dimension der Sozialen Arbeit auch im Unterschied zu anderen Professionen dar. Er begründet „Politikmachen“ und „Einmischen“ als selbstverständlichen Teil Sozialer Arbeit. Ein Grund dafür ist die funktionale Differenzierung moderner Gesellschaften, in der Inklusionsvermittlung und Exklusionsvermeidung immer mehr erschwert sind und die Erweiterung und Öffnung von Zugangsmöglichkeiten für Klienten der Sozialen Arbeit zu unterschiedlichen Systemen (z.B. Bildungssystem, Arbeitsmarkt) geleistet werden muss. Dorthin zielend sind Beteiligungsformen zu organisieren und ggf. advokatorische Interessenvertretungen zu übernehmen. Dies sind Aufgaben einer Sozialarbeitspolitik, die als Teildisziplin der Sozialarbeitswissenschaft gesehen werden muss. (Buch Politik und Soziale Arbeit Teil 1)
Vorläufig zusammengefasst sind zu nennen:
- Austausch der sozialen und politischen Arbeit,
- welche Projekte sollen vorangetrieben werden,
- wir wollen „Schlüsselpersonen“ qualifizieren, die als Mittler zwischen den einzelnen Gruppen stehen und
- Materialien und Formate entwickeln um die Gruppen erreichen zu können.
Dies ist weiter zu reflektieren und soll in einer weiteren Gesprächsrunde erfolgen.