Liebe Freunde, Mitstreiter und Interessenten der LAK-BW,
am 19. November führte die LAK-BW zusammen mit ihren Kooperationspartnern aus der Schweiz und Frankreich ein weiteres trinationales Treffen (das 3. in diesem Jahr) im Centre Socio-culturel Lavoisier-Brustlein in Mulhouse durch. Gastgeber dieses Mal war das Maison de la Citoyenneté Mondiale (Weltbürgerhaus) in Mulhouse.
Als Impulsreferent wurde Dr. Georges Yoram Federmann eingeladen.
Georges Yoram Federmann ist am 17. Juli 1955 in Casablanca (Marokko) geboren und französischer Staatsbürger. Von Beruf ist er Arzt und Psychiater. 1997 gründete er in Straßburg den Kreis Menachem-Taffel.
Georges Federmann kommt 1972 nach Straßburg. Nach seinem Medizinstudium, spezialisiert er sich auf die Psychiatrie und kümmert sich um Drogensüchtige und Ausländer ohne Papiere.
Als aktiver Jude setzt er sich für die Anerkennung und des Rechts des Staates Israel ein und schützt Palästinenser. Mit dem Kreis Menachem-Taffel, ein Verein der für die Anerkennung und als Gedächtnis für die begangenen medizinischen Unrechtstaten während der Nazizeit an Juden steht, arbeitet er daran, Juden, die Opfer dieses Systems wurden, ihre Identität wieder zurückzugeben.
Judentum, Christentum und Islam sind in ihrer geschichtlichen Entwicklung eng miteinander verwoben. Das Judentum ist die älteste dieser Religionen, die Geschichte des jüdischen Volkes umspannt über 3500 Jahre. Es ist bis heute eine sehr lebendige Religion. Gesellschaftliche und politische Herausforderungen führen immer wieder zu neuen Diskussionen und Auslegungen der heiligen Schriften.
Es ist eine jüdische Grundüberzeugung, dass Gott sein Volk (das Volk Israel) „erwählt“ hat. Dies ist vielleicht einer der Gründe warum es seit Jahrtausenden immer wieder zu (Religions-)Kriegen, Gewalt und Attentaten kommt.
http://judaisme.sdv.fr/histoire/shh/struthof/taffel.html
Georges Federmann ging in seinem Vortrag auch auf die aktuelle Flüchtlingssituation in Europa ein. Europa sollte sich der Situation stellen und den Flüchtlingen gegenüber Gastfreundschaft und Liebe zeigen und sie nicht vor Angst von Überfremdung ausgrenzen, zurückweisen und Mauern bauen. Jesus Christus, an den wir in Europa mehrheitlich glauben, war Jude und Flüchtling. Er hat sich um alle Menschen gekümmert die zu ihm kamen – egal welcher Rasse er angehörte und welche Hautfarbe er hatte. Dies machte er aus Liebe zu den Menschen. Er hatte keine Mauer im Kopf gebaut.
„Das was ihr dem geringsten meiner Mitmenschen tut, das tut ihr mir.“ Mit diesem Zitat aus der Bibel will uns Jesus Christus sagen, dass wir keine Angst vor dem fremdländischen anderen Menschen zu haben brauchen, auch wenn Teile davon uns dies glauben machen wollen in dem sie Bomben werfen, Autos anzünden oder andere Attentate begehen. Trotz dieser Minderheit, welche Gewalt anwenden, sollten wir offen auf die Menschen zugehen und ihnen die Hilfe gewähren welche sie benötigen. Dieses offene Zugehen muss von jedem Einzelnen ausgehen. Da darf man nicht auf die Gesellschaft warten bis sie sich ändert. Wir sind die Gesellschaft – jeder Einzelne von uns.
Aber um offen auf andere Menschen zugehen zu können und ihnen Hilfe anzubieten muss man sich erst selbst ändern. Dazu helfen vielleicht einige Denkanstösse und Fragen die sich jeder von uns selbst stellen sollte:
- Wie können wir gemeinsam gegen AfD, Front National und andere extreme Parteien ankämpfen ohne in ein Raster des Schwarz-Weiß-Denkens zu verfallen?
- Wie können wir Menschen die bei uns Schutz und Hilfe suchen vor fremdenfeindlichen Angriffen schützen?
- Welche Interessen verfolgen die unterschiedlichsten Menschen, welche Interessen die Gesellschaft?
- Wie sieht die Hierarchie in meinem Kopf aus?
- Wie sehe ich die vielen Bettler, welche täglich auf der Straße sitzen, die Familie, und andere Teile der Gesellschaft? Diese Fragen sollte ich mir täglich stellen damit sich die Diskriminierung unserer Mitmenschen und der Hass, welcher sich in unserer Gesellschaft immer mehr breit macht, in Selbstachtung, Respekt und Achtung unserer Nachbarn und Mitmenschen langfristig wandelt. Aber dazu braucht es Mut und Courage jedes Einzelnen von uns.
Nach dem Impulsreferat trat eine trinationale Theatergruppe auf, welche uns, mit ihrem darstellerischen Können und ohne ein Wort zu sagen, die ganze Flüchtlingsproblematik sehr eindrucksvoll zeigte. Die Gruppe arbeitet seit Jahren zusammen und hat sich vorgenommen die Probleme unserer Gesellschaft vor Augen zu führen.
Im Anschluss daran versuchte man in verschiedenen Workshops (Aufstieg der Rechtsextremen – welche Alternativen haben wir? Die Flüchtlinge und die Ursachen der Flucht, Aufrüstung und Sicherheitspolitik, Arbeit heute und morgen, Ursachen für Prekarität) die gestellten Themen gemeinsam in Gruppen zu erarbeiten.
Wie kann man Rechtsextremismus begegnen? Welche Berührungs- bzw. Markierungspunkte kennzeichnet sie und wie drücken sie sich aus? Gibt es Alternativen dazu? Wie geht die (Arbeits-)Welt mit Rechtsextremismus um: Rassismus, Untermenschsein, Fremdenfeindlichkeit sind hier nur einige Beispiele. Wie sieht man die verschiedenen Religionen? Gibt es hier Unterdrückung und Diskriminierung?
Damit man Fluchtursachen langfristig bekämpfen kann sollte unsere heimische Bevölkerung sich darüber Gedanken machen wie sie hier mit den angebotenen Produkten und deren Herstellung umgehen. Jeder Europäer und Nichteuropäer will seine Ware so günstig wie möglich kaufen, denkt aber nicht daran wie bzw. von wem sie hergestellt wird. Vielfach sind es Kinder die in asiatischen Ländern an Maschinen sitzen und die Jeans nähen oder den Kaffee auf den Plantagen abernten – zu Centbeträgen und unter widrigen Umständen (ohne Brandschutz und Notausgängen bis zu 10 Std. am Tag). Deshalb sollte jeder morgens in den Spiegel schauen, sich selbst an die Nase fassen und sich vornehmen die Ausbeutung der Menschen aus Afrika oder Lateinarmerika die in den Firmen beschäftigt sind zu verhindern. Es ist ganz leicht:
- Fairtrade Produkte kaufen
- darauf achten, dass keine Kinder die Produkte herstellen
- den Konsum von sich selbst einschränken
- die Gesellschaft muss langfristig umdenken: Solidarität mit anderen Minderheiten und Gruppen um gegenseitige Ausbeutung zu verhindern
- nationale Regierungen sind autonom und können entscheiden was sie für richtig halten da benötigt es keine Einmischung von außen
- Keine Rohstoffe verschwenden: Die Gewinnung und der Kampf um Erdöl und andere Rohstoffe ist Kriegsursache Nummer 1 auf der Welt
- Waffenverkäufe verhindern. Sie kurbeln nicht immer unsere Wirtschaft an. Aber auch daran denken: Der Kriegsgegner kann die verkauften Waffen gegen uns verwenden.
- auf Politik einwirken: jeder Mensch kann und soll sich frei bewegen dürfen (Grenzen und Mauern halten niemanden auf)
Der Workshop Aufrüstung, Sicherheitspolitik und Militarisierung gab uns einige Fragen zum Nachdenken mit: wir leben auf Grund unserer zahlreichen Exporte nach Afrika auf Kosten der Dritten Welt und wundern uns wenn das Elend nach Europa kommt. Durch unseren maßlosen Konsum in Europa, werden Teile der Bevölkerung in Afrika in Krieg, Hunger und Armut leben müssen. Unsere vielfältige Industrie in Europa hat nur seine eigenen wirtschaftlichen Interessen im Auge – Menschenrechte haben trotz EU-Charta keine Gültigkeit und werden nicht eingehalten. Der Profit hat Vorrang. Deshalb werden Ethnien und die verschiedenen Religionen unterdrückt, gegenseitig ausgespielt und bekämpft.
Zum Workshop-Thema Arbeit gab es auch eine ganze Reihe Fragen die wir versucht haben zu beantworten: Gibt es noch genügend Arbeit für alle? Wir sind der Ansicht ja. Voraussetzung: Die ganze von der Gesellschaft geleistete Arbeit (unbezahlt und bezahlt) sollte nicht getrennt werden.
Der letzte Workshop zum Thema Prekarität warf folgende Fragen auf:
- Wie können wir in Europa unsere gemeinsamen Interessen in den verschiedenen Gruppen gemeinsam bündeln und uns mobilisieren?
- wir müssen dieses Thema in das öffentliche Bewusstsein der Gesellschaft bringen. Dazu sollten wir die Medien, die Strasse und die Politik nutzen.
- wir müssen uns dauerhaft mit dem Thema grenzüberschreitend beschäftigen. Dazu werden wir auch weiterhin europäische Allianzen bilden die sich regelmäßig austauschen.
- wir müssen auch auf Gruppen zugehen, die ganz am Rand der Gesellschaft stehen und vergessen werden
- wir müssen öffentliche soziale Aktionen starten um die Bevölkerung in Europa zu sensibilisieren um zu wissen was es heißt in Armut, Obdachlosigkeit, Prekarität zu leben.
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