Bis aus Flüchtlingen Fachkräfte werden, wird mehr Zeit vergehen als erhofft. Die Geflüchteten wollen schnell Geld verdienen, die Wirtschaft will sie hingegen ausbilden, weil Fachkräfte fehlen. Ein Dilemma für die zahlreichen Unterstützer.
Bei der Suche nach Arbeit oder einem Ausbildungsplatz brauchen Flüchtlinge viel Unterstützung: Lokale Initiativen können offenbar am besten helfen, wenn sie den Flüchtlingen gleichzeitig Sprachkurse und erste berufliche Erfahrungen vermitteln. Das geht aus einer Studie hervor, die das Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung am Mittwoch in Berlin vorstellte. Die SPD forderte die großen Unternehmen auf, mehr Geflüchtete zu beschäftigen. Der Deutsche Städtetag bremste die Erwartungen an eine schnelle Integration.
Die Wissenschaftler vom Berlin-Institut haben sich die Arbeit von zehn privaten und öffentlich geförderten Job-Initiativen genauer angesehen, um herauszufinden, was sie leisten können. Sie sehen in der Kombination von ersten Berufserfahrungen und Sprachkursen den besten Ansatz.
Es komme darauf an, die Motivation der Flüchtlinge zu erhalten, die mit hohen Erwartungen nach Deutschland kommen, sagte Reiner Klingholz, der Leiter des Berlin-Instituts. Er warnte aber vor überzogenen Hoffnungen, auch seitens der Wirtschaft: „Es braucht sehr viel Geduld von allen Seiten.“ Die Unterstützer stünden vor einem Dilemma. Die Flüchtlinge wollten schnell Geld verdienen. Langfristig hätten sie aber nur mit Sprachkenntnissen und einer Ausbildung eine Integrationsperspektive.
Der Geschäftsführer der Berliner Handwerkskammer, Ulrich Wiegand, unterstrich, wie wichtig die Ausbildung sei. Es dürften auch bei Flüchtlingen keine Abstriche gemacht werden, sagte er. Ohne Berufsabschlüsse bekämen die Geflüchteten keine qualifizierte Arbeit.
Die Studie des Berlin-Instituts kommt zu dem Schluss, dass eine schnelle Integration in den Arbeitsmarkt nicht zu erwarten ist. Kaum ein Geflüchteter spreche Deutsch, nur eine Minderheit Englisch. 62 Prozent der Geflüchteten geben an, überhaupt keine Berufsausbildung zu haben. Positiv sei indes, dass die Mehrheit die fehlenden Qualifikationen nachholen könne: Rund ein Drittel der Flüchtlinge seien jünger als 18 Jahre und fast drei Viertel jünger als 30. Insgesamt seien in den vergangenen drei Jahren 1,3 Millionen Menschen als Asylbewerber nach Deutschland gekommen.
Als Fortschritt werten die Forscher, dass die Arbeitsvermittlung ausgebaut worden ist. In der Vergangenheit hätten nur acht Prozent aller Asylbewerber im ersten Jahr eine Arbeit gefunden.
Inzwischen hat sich aber auch die Rechtslage geändert. Asylbewerber können nun nach drei Monaten eine Arbeit aufnehmen. Außer in einigen Teilen Bayerns, Nordrhein-Westfalens und in Mecklenburg-Vorpommern ist seit August auch die sogenannte Vorrangprüfung ausgesetzt, wonach inländische Bewerber und solche aus der EU bevorzugt werden müssen.