Kämpfer gegen Ungerechtigkeit

Gästebuch: Mit seiner Kandidatur für das Amt des Bundespräsidenten hat Sozialmediziner Gerhard Trabert im Februar für Schlagzeilen gesorgt. Was ihn mehr freut: Seine Anliegen, Armut und Ungleichheit zu beseitigen, sind dadurch in den Fokus gerückt. Jetzt war er in Kaiserslautern.

Von Benjamin Ginkel

„Also rein subjektiv hab’ ich seit der Bundespräsidentenwahl schon mehr An- und Nachfragen“, erzählt Professor Gerhard Trabert der RHEINPFALZ. Er habe das Gefühl, mit seiner Kandidatur zum Bundespräsidenten auf das Thema Armut aufmerksam gemacht haben zu können. Dass Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Thematik in seiner Antrittsrede aufgegriffen habe und es ein Kooperationsgespräch auf Schloss Bellevue Anfang März gab, sei eine gute Sache gewesen. Trabert: „Aber entscheidend ist, dass sich tatsächlich etwas ändert.“ Und da sehe er bei der Ampel-Regierungskoalition erhebliche Defizite. Eine einmalige 100-Euro-Zahlung für Hartz-IV-Bezieher, um die Kosten der Pandemie abzufedern, sei „ignorant“. Trabert: „Pro Monat müssten 100 Euro mehr gezahlt werden.“ Dieses Beispiel zeige, wie weit weg die Entscheidungsträger in Berlin von der Lebensrealität der Menschen sind.

Ganz anders Professor Trabert: Der Mainzer, Jahrgang 1956, engagiert sich seit Jahrzehnten im Kampf gegen Armut und ist für sein Engagement bereits vielfach ausgezeichnet worden – unter anderem 2004 mit dem Bundesverdienstkreuz. Trabert lehrt an der Hochschule RheinMain in Wiesbaden Sozialmedizin und Sozialpsychiatrie. Bekannt geworden ist er mit einer niedrigschwelligen medizinischen Versorgung von wohnungslosen Menschen in Mainz, wo er auch den Verein Armut und Gesellschaft in Deutschland aufgebaut hat.

In Kaiserslautern war Trabert nun am Mittwochabend in der Scheune des Theodor-Zink-Museums zu Gast, wo er gemeinsam mit Sozialaktivist Hans Sander, aus dem Buch „Solidarität in Zeiten von Corona und darüber hinaus“ las. Trabert: „Das war eine stimmige Veranstaltung mit Lesung, Musik und intensiver Diskussion.“ Unter den Zuhörern seien auch selbst von Armut Betroffene gewesen. Man habe schnell einen Draht zueinander gefunden.

Anders könne das sein, „wenn ich vom Lions Club oder den Rotariern eingeladen werde“. Da gebe es auch schon einmal andere Argumente – und Vorurteile. „Dass jeder, der arbeiten will, auch Arbeit findet, stimmt schlicht nicht“, sagt Trabert, „und bei den Themen Vermögens- und Einkommenssteuer gibt’s natürlich ebenfalls oft Gegenwind.“ Dennoch sei es ihm besonders wichtig, in allen sozialen Kreisen zu sprechen und zu versuchen, mit Argumenten zu sensibilisieren.

Dass Armut und deren Folgen bereits einige Wochen nach der Bundestagspräsidentenwahl wieder weitgehend aus den Medien verschwunden sind, „kann ich verstehen. Es gibt schließlich viel über den völkerrechtswidrigen Krieg in der Ukraine zu berichten“. Aber selbst, „wenn wir gerade die schmerzliche Erfahrung machen, dass man sich militärisch mehr ausstatten muss, um Gefahren von außen zu begegnen“, sei es ebenso wichtig, „die Gefahren von innen nicht zu ignorieren“. Er präzisiert: „Wenn wir jetzt nicht für arme Menschen da sind und ihnen helfen, dann verlieren wir sie möglicherweise für die Demokratie.“ Denn auch finanzielle Not mache Menschen empfänglicher für populistische Agitatoren. Das habe die Präsidentschaftswahl in Frankreich gerade gezeigt: „Marine Le Pen hatte den Verlust der Kaufkraft als Hauptthema im Wahlkampf und damit beträchtlichen Erfolg.“ Auch deswegen gelte es, etwas gegen die soziale Ungleichheit zu tun.

Als mögliche Sofortmaßnahmen nennt Trabert unter anderem die Erhöhung des Hartz-IV-Satzes auf gut 650 Euro, „damit eine Teilhabe an der Gesellschaft möglich ist“, die Einführung eines Mietendeckels und 13 Euro Mindestlohn. „Manchmal muss man das Unmögliche fordern, um das Mögliche zu erhalten“, sagt der Sozialmediziner, der sich außerdem für Bildungs- und Gendergerechtigkeit einsetzt.

Quelle: DIE RHEINPFALZ vom 28. April 22

 

Beschluss des Bundestages

„Einen Tag nach dem Beschluss des Bundestages der Ukraine schwere Waffen – samt Ausbildung daran – zu liefern, soll doch festgehalten sein, dass die Grenze zur aktiven Kriegsbeteiligung Deutschlands überschritten scheint.
Wo soll das enden? So wie 1914 als man in einen langen Krieg hineinrutschte, der das Europa von damals massiv veränderte.
Warten wir ab, was weiter geschieht!
Heute am 29.4.2022 sei dies festgehalten. Das ist eine Herausforderung für die Prekären in Europa.“
Rs

Trefffen des Roger Winterhalter Menschenrechtsbüros

Nächstes Trefffen des Roger Winterhalter Menschenrechtsbüro ist am 14 Mai in Offenburg.Dabei geht es um eine inhaltliche Vernetzung des MR- Büros mit anderen Menschenrechtsgruppen und Unterstützungsprojekten. Im Krieg in der Ukraine entstehen in Europa neue Dimensionen von Verletzungen der Menschenrechte, dazu können wir nicht schweigen. Die Menschen- würde ist massiv gefährdet. Wer den Krieg überlebt, ist von Armut bedroht. Es wird in Europa die soziale Ungleichheit zunehmen. Die Menschen werden von nationalistischen Bewegungen beeinflusst. In ihrer Angst und in ihrer Chancenlosigkeit vertrauen sie den politischen Parolen dieser Akteure. Die lak-bw steht dem entgegen.
Rs.

Informationen zur diesjährigen Aktionswoche

Einige Informationen zur diesjährigen Aktionswoche <Armut bedroht alle> der gemeinsamen Landesarmutskonferenz LAK-BW:

  • Dauer -21.10.22
  • Kampagnenthema 2022: „Armut im Klimawandel – ökologisch, gesellschaftlich, solidarisch“
  • Konzeption der Aktionswoche: gemeinsame Arbeitsgruppe der Netzwerke und der beiden Sprecher der LAK-BW
  • Ort: Stuttgart und in allen Landesteilen vor Ort mit jeweils einem eigenen Programm, Ansatz und Intensität
  • Formen vor Ort: Aktivitäten von Menschen in Armutslagen/von niederschwelligen Einrichtungen, von aufsuchenden Diensten von lokalen Netzwerken
  • Finanzierung: Eigenmittel vor Ort in der Fläche, Zuschuss des Sozialministeriums zu allgem. Kosten der Öffentlichkeitsarbeit
  • Materialien: Reader aus der Reihe der Vorbereitungsgruppe, demnächst digital verfügbar auf der homepage der lak-bw, nw 1 und der homepage der Liga BaWü

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Sie bewegt sich doch: Politische Bildung in Baden-Württemberg

„In der Jugendherberge Stuttgart trafen sich gestern am 31.3.22 zahlreiche Betroffene Menschen in prekären Lebenslagen, um im Rahmen eines workshops die Inhalte der politischen Bildung in Baden Württemberg zu besprechen.
 
Die Moderation im Auftrag des Netzwerks Politische Bildung erfolgte durch Doris Kölz von der lak-bw und Anja Dargatz von der Friedrich-Ebert-Stiftung. Dabei ging es um eine Analyse der eigenen Erfahrungen, der Konsequenzen und um Empfehlungen für eine Reform der politischen Bildung.
 
Die Politische Bildung muss die Menschen in prekären Lebensverhältnissen erreichen, sie muss niederschwellig und aufsuchend sein. Sie muss was mit dem Leben der Menschen zu tun haben, muss sie motivieren und befähigen, sich zu organisieren und sich in die gesellschaftlichen Dialoge einzumischen. Das soll am 19. Mai mit den Vertretern der Landtagsfraktionen diskutiert werden.
Erster Schritte wäre die Installierung von Pilotprojekten bei den Trägern der Politischen Bildung. Das kann auch bei Volkshochschulen oder in Bereichen niederschwelliger Sozialarbeit sein. Mindestens eine „Personalstelle Politische Bildung“ in jedem Landkreis für einen solchen Bildungsansatz wäre das erste Ziel in Baden- Württemberg.“
 
Roland Saurer

Vorstandswahl der BBI 2022

Die Bundesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen BBI ist eine Partnerorganisation der lak-bw. Sie hatte Wahlen am vergangenen Samstag. Dem neuen Vorstand gehören Uwe Aschenbrenner und Robert Trettin an, gemeinsam mit Doris Kölz, Anne Jeziorski, Harry Widmann, Johannes Kwiasowski und Roland Saurer bilden sie ein starkes Team. Sie setzen Schwerpunkte sozialpolitisch in der nak, der nationalen Armutskonferenz und in der Bundesinitiative #von unten. Sie arbeiten zusammen mit dem europäischen Netzwerk der eapn, dem european anti poverty Network.

Roma Minderheiten in Serbien und Nordmazedonien

„Mit diesen Balkan-Ländern und ihren Roma Minderheiten versuchen wir zusammenzuarbeiten. Dank des Flüchtlingsrat Baden -Württemberg haben wir Kontakt zu Jovana in Serbien und zu Albert in Nordmazedonien. Sie sind für die Reintegrationsprogramme von abgeschobenen Familien oder meist Einzelpersonen aus Westeuropa zuständig. Die Zahlen der sozialstrukturellen Benachteiligung dieser Roma Minderheiten dort sind eklatant. Wir versuchen diese Länder in die 6-Länder-kooperation in Zukunft einzubeziehen. Ein langer Weg, aber wir gehen ihn und verknüpfen ihn mit dem Roger-Winterhalter-Menschenrechtsbüro der lak-bw in Offenburg. Wir berichten weiterhin!
Roland Saurer“

Erklärung der 6 – Länder-Kooperation zum Ukraine Krieg

06.03.2022

Der Krieg Russlands gegen den freien Staat Ukraine dauert nunmehr bald zwei Wochen. Dieser Krieg ist Putins Krieg und nicht der Krieg der russischen Bevölkerung gegen einen unabhängigen Staat. Dieser Krieg ist völkerrechtswidrig und ein massiver Angriff auf die Menschenrechte. Dieser Krieg bedeutet Leid und Schrecken für Millionen von Menschen.

Stoppt diesen Krieg sofort !!!

Die Fluchtbewegung in die westlichen Nachbarländer der Ukraine nimmt mit jedem Tag weiter zu. Es ist gut, dass die Nachbarstaaten in Europa den Menschen aus der Ukraine Schutz gewähren.

Die Reaktionen der Länder in der Europäischen Union, die Reaktionen der Nato sind deutlich zu sehen. Sie schaffen durch massive Sanktionen hohen wirtschaftlichen und politischen Druck auf Russland. Zudem beschliessen immer mehr Länder, Waffen und Hilfsgüter zu liefern. Leider trägt dieser Krieg auch jetzt dazu bei,  sich vorbereiten auf massiv steigende Rüstungsausgaben.

Mögliche Antworten Putins auf die westlichen Sanktionen sind der Stopp von Öl, Gas und Kohle. Somit werden russische Lieferungen zu Instrumentarien des Krieges. Weiter bedrohen gefährdete nukleare Anlagen die Sicherheit der Menschheit.

Krieg bedeutet letztlich das Scheitern oder Ignorieren der Diplomatie, setzt Gewalt und Gegengewalt frei, vernichtet Menschenleben und Ressourcen; ist für die Natur ein Unheil und bindet menschliche Energien über Jahre hinweg, die sich mit den Folgen von Leid und Zerstörung konfrontiert sehen.

Krieg kennt keine Gewinner, Krieg kennt nur Verlierer!

Diese bittere Wahrheit wird sich auch im Ukrainekrieg zeigen! Am Ende bleiben Misstrauen und Sprachlosigkeit zwischen den Regierungen und Völkern, bleiben Leid und Trauer um die Toten auf allen Seiten. Krieg führt zu Vertreibung und Flucht, Millionen verlieren Heimat und Existenz.

Solidarität ist das gemeinsame Zeichen der Hoffnung der Menschen und Völker. In einem Zusammenwachsen der Völker und Nationen liegt die Zukunft. Sie liegt nicht im Streit und im Krieg!

Dieser Krieg bedeutet nebst einer massiven Vernichtung von Menschenleben, auch eine Vernichtung von Ressourcen und Geld, die jetzt anderswo fehlen werden. Dies angesichts von 120 Millionen Armen und Prekären in Europa. Deren soziale Sicherheit ist in allen Ländern Europas bedroht. Millionen Armen fehlt die politische, ökonomische und kulturelle Lobby, um sich als soziale Bewegungen erfolgreich durchzusetzen. Wir als soziale Initiativen in den 6 Ländern, sind ein kleines Zeichen auf dem langen Weg zu Mitsprache und sozialer Sicherheit in Europa.

Wir rufen auf, diesen Krieg sofort zu beenden!

EAPN Nederland, Quinta Ansem

MCM Mulhouse, Frankreich, Roger Winterhalter

EAPN Tschechische Republik, Prag,  Dr. Karel Schwarz

EAPN Slowakische Republik, Bratislava, Dr. Anna Galovicova

Arbeitsloseninitiativen Basel/Schweiz, Hans Georg Heimann

Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg, Roland Saurer

Bundesbetroffeneninitiative wohnungsloser Menschen BBI, Uwe Aschenbrenner

Adresse – email: saurerroland@gmail.com, 0170 / 99 61 55 8

Frieden-Mir-Peace-Paix-Pace

Resolution der Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg

lak-bw e. V.

Stoppt sofort den Krieg in der Ukraine!

Die Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg verurteilt auf das Schärfste  die russische Invasion gegen das friedliebende Volk der Ukraine.

Wir fordern Russland auf, die Kampfhandlungen sofort einzustellen und die zivile Zerstörung zu beenden. Die Aggressionspolitik durch Putin und der Einmarsch seiner Truppen in die Ukraine sind völkerrechtswidrig und durch nichts zu rechtfertigen.

Wir fordern Russland auf, die Kriegshandlungen einzustellen, die so viel an Leid und Zerstörung über die Menschen bringen. Der feige Angriff russischer Truppen auf die Zivilbevölkerung der Ukraine ist menschenverachtend und stellt im besonderen Maße eine Radikalität dar, gegenüber der Bevölkerung, Krankenhäusern, Kindergärten und anderen öffentlichen Einrichtungen.

Der Frieden in Europa ist gefährdet und wir werden uns mit unseren Mitteln gegen die Aggressionspolitik stellen.

Mit unserer Solidaritätsbekundung stellen wir uns an die Seite des ukrainischen Volkes und an die Seite der russischen Friedensbewegung, für Frieden in der Welt und für eine gerechtere und sozialere Gemeinschaft.

Die Mitgliederversammlung am 07.03.2022 der

Landesarmutskonferenz Baden-Württemberg, lak-bw e. V.

„Glaubt nicht, ihr hättet Millionen Feinde. Euer einziger Feind heißt – Krieg!“

(Erich Kästner, 1899 – 1974, Schriftsteller, 1957 Träger des Georg-Büchner-Preises)

Lak-Email: saurerroland@gmail.com, tel. 0170 – 99 61 55 8

siehe auch homepage lak-bw e.v.

„Es ist in dieser furchtbaren Lage nach 4 Tagen Krieg ein Aufruf, der mahnt und darauf hinweist, dass es ein morgen geben wird, an dem wir wieder reden müssen und die Waffen schweigen werden.“
Roland Saurer Sprecher lak-bw e. V.

Völkerrecht auch bei Rüstungsexporten beachten! Klares Exportverbot ins Rüstungsexportkontrollgesetz!

Rede von Jürgen Grässlin,
Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“
anlässlich der Kunstaktion „Deutschlands größte Waffenkammer“
am 27. Februar 2022 vor dem Deutschen Bundestag

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Friedensfreundinnen und Friedensfreunde,

während wir uns hier vor dem Bundestag zusammengefunden haben, verletzen russische Soldaten das Völkerrecht mit ihrem Angriffskrieg gegen den souveränen Staat Ukraine. Im Auftrag des russischen Staatspräsidenten Wladimir Putin töten sie Menschen – Militärs und Zivilisten, Frauen, Männer und Kinder.
Damit bricht Russland fundamental mit der Charta der Vereinten Nationen. Dort heißt es in Artikel 2.4: „Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“[#Q1]
Bis vor zwei Tagen hat die Bundesregierung dem international immens hohen Druck standgehalten, Kriegswaffen an die Regierung von Wolodymyr Selenskyj zu liefern. Mehrere Nichtregierungsorganisationen und die Aufschrei-Kampagne haben die  Bundesregierung in einem Offenen Brief bestärkt, an dieser Position festzuhalten.
Topaktuelle Meldungen besagen jedoch, dass Bundeskanzler Olaf Scholz und die Bundesregierung nunmehr die Niederlande ermächtigt haben, 400 Panzerfäuste aus deutscher Produktion an die Ukraine zu liefern, um den Kampf gegen die russischen Angreifer zu unterstützen. Zudem sollen 14 gepanzerte Fahrzeuge ausgeführt werden. Aus den Beständen der Bundeswehr werden die ukrainischen Streitkräfte mit weiteren 1.000 Panzerabwehrwaffen sowie 500 Boden-Luft-Raketen des Typs „Stinger“ unterstützt.[#Q2]
Wir warnen vor einem Trugschluss: Jede vermeintliche Defensivwaffe kann auch offensiv eingesetzt werden! Defensivwaffen gibt es nicht! Und wir befürchten, dass dieser neuerliche Rüstungsexport in einen Krieg hinein als Blaupause missbraucht wird, um auch zukünftig Rüstungsexporte in Krisen- und Kriegsgebiete zu genehmigen.
>> Die Aktion Aufschrei lehnt den Export von Kriegswaffen in Kriegs- und Krisengebiete ab!
>> Wir fordern Bundeskanzler Scholz und die Bundesregierung auf: Nutzen Sie den historischen Völkerrechtsbruch Russlands keinesfalls als Türöffner für kommende Rüstungsexporte in Krisen- und Krisengebiete!

Liebe Friedensfreundinnen und -friedensfreunde, wir haben uns heute vor dem Deutschen Bundestag versammelt, um gemeinsam die Kunstaktion „Deutschlands größte Waffenkammer“ durchzuführen. Unser Dank gilt den Studierenden der Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst Hildesheim unter der Leitung von Mathias Rebmann, die die interaktive Kunstaktion für diesen Tag entwickelt haben.

Mit dieser Kunstaktion machen wir auch darauf aufmerksam, dass die Bundesregierung in den vergangenen Jahren das – in diesen Tagen so viel beschworene – Völkerrecht vielfach selbst nicht beachtet hat.
Bis zuletzt wurden in der Ära der vormaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel milliardenschwere Rüstungsexportgenehmigungen in Länder erteilt, die das Völkerrecht massiv missachteten und Menschenrechte schwer verletzten – und dies bis heute tun:
 Ägypten, die Türkei und die Vereinigten Arabischen Emirate brachen und brechen das Waffenembargo gegen Libyen, sie erhielten dennoch Kriegswaffen aus Deutschland.
•    Die VAE und Saudi-Arabien verstießen und verstoßen massiv gegen das humanitäre Völkerrecht im Jemen, wo sie Krieg gegen die Huthi-Rebellen führen – dennoch erhielten sie Kriegswaffen bzw. deren Bestandteile aus Deutschland.
•    Die Türkei verletzt fortwährend die territoriale Integrität von Syrien und Irak durch militärische Interventionen gegen Kurdinnen und Kurden. Sie bricht damit Völkerrecht. Dennoch erhielt und erhält die Türkei Kriegswaffen und Rüstungsgüter aus Deutschland.
>> Dass die Regierung Merkel all diese völkerrechtswidrig agierenden Länder mit Kriegswaffen hochgerüstet hat, ist ein Skandal!

•    Die Bundesregierung verfügt über Besitzanteile an der Hensoldt AG. Deren südafrikanisches Tochterunternehmen rüstet türkische Drohnen mit Zielerfassungssystemen aus, die seitens des Regimes Recep Erdoğan u.a. völkerrechtswidrig in Syrien und Irak eingesetzt werden.
•    Mit „Deutschlands größter Waffenkammer“ verweisen wir auch auf eine zweite Beteiligung des Bundes: die am Luftfahrtkonzern  Airbus N.V. Der Airbus-Konzern versorgt seit Langem – und wohlgemerkt mit Zustimmung der Bundesregierung – Tornado- und Eurofighter-Kampfflugzeuge in Saudi-Arabien mit Ersatzteilen. Mit diesen Kampfjets wurden und werden sowohl militärische als auch zivile Ziele im Jemen bombardiert.
>> Dass die Bundesregierung unter Kanzlerin Merkel diese Exporte genehmigt bzw. nichts gegen die Geschäftspraktiken von Airbus und Hensoldt unternommen hat, ist ein weiterer Skandal!

Mehr noch: Die Bundesregierung hat mit ihrer Rüstungsexportpolitik auch den 2013 unterzeichneten Arms Trade Treaty, den ATT, verletzt. Mit dem ATT-Vertrag hat sich Deutschland zur Einhaltung und Durchsetzung des humanitären Völkerrechts bei Rüstungsexporten verpflichtet.
Laut ATT bewertet jeder waffenexportierende Staat die Möglichkeit, inwiefern die von ihm gelieferten Waffen dazu verwendet werden könnten, eine kriminelle Handlung vorzunehmen. Wenn eine schwere Verletzung des humanitären Völkerrechts droht, darf nicht exportiert werden.[#Q3]
Und der Gemeinsame Standpunkt der Europäischen Union aus dem Jahr 2008 verpflichtet in Kriterium 2 zur „Achtung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts durch das Endbestimmungsland“. Nach Kriterium 6 muss das Verhalten des Käuferlandes u.a. bzgl. „der Einhaltung des Völkerrechts“ eines Empfängerlandes beachtet werden.[#Q4] Genau das ist im Fall von Saudi-Arabien, den VAE, Ägypten und Türkei nicht geschehen.

>> Wir fordern die Bundesregierung auf, die Wahrung des Völkerrechts nicht nur von Russland zu verlangen, sondern bei Rüstungsexporten auch selbst zu praktizieren. >> Und wir fordern die Bundesregierung auf, den ATT-Vertrag sowie den Gemeinsamen Standpunkt der EU einzuhalten!

Wo Krieg ist, finden sich auch die Profiteure der Abschreckung, der Intervention, des Mordens. Einmal mehr zynisch ist die Entwicklung zeitgleich zum Krieg in der Ukraine. So berichtete das Finanzmagazin Finanztreff: „Der Einmarsch russischer Truppen in die Ukraine hat am Donnerstag die Aktienmärkte in die Knie gezwungen, bei den Rüstungsherstellern aber für kräftige Kursgewinne gesorgt.“[#Q5]
Entgegen dem allgemeinen Kursverfall profitierten die Händler des Todes vom Krieg in der Ukraine: Die Aktie von Krauss Maffei-Wegmann stieg innerhalb eines einzigen Tages um 3,6 %, die von  Hensoldt um 5,1 %, Airbus um 6,5 % und Rheinmetall um 7,0 %.
>> Schande über alle Profiteure der Kriege – über die Rüstungsmanager und über die Rüstungsaktionäre!

Der Zwang zum Handeln ist groß. Im Jahr 2021 genehmigte die alte Bundesregierung Rüstungsexporte im Volumen von 9,35 Mrd. Euro bei Einzelausfuhren – das ist ein neuer Negativrekord! Wir von der ‚Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!‘ fordern die neue Bundesregierung deshalb auf:
>> Erheben Sie die Achtung des Völkerrechts und der Menschenrechte zum uneingeschränkten Maßstab Ihrer Rüstungsexportpolitik!

Rüstungsexporte in diese Staaten müssen per Gesetz rechtsverbindlich und einklagbar verboten werden. Unsere zentrale Forderung lautet deshalb hier in Berlin, direkt vor dem Deutschen Bundestag und dem Bundeskanzleramt:
>> Schaffen Sie ein neues Rüstungsexportkontrollgesetz mit klaren Exportverboten und einem Verbandsklagerecht!

Vielen Dank.

Jürgen Grässlin
ist Sprecher der Kampagne „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“, Bundessprecher der Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), Mitbegründer der Kritischen Aktionär*innen Heckler & Koch und Vorsitzender des RüstungsInformationsBüros (RIB e.V.) mit dem GLOBAL NET – STOP THE ARMS TRADE. Er ist Autor zahlreicher kritischer Sachbücher über Rüstungsexporte sowie Militär- und Wirtschaftspolitik, darunter internationale Bestseller. Grässlin wurde mit bislang zehn Preisen für Frieden, Zivilcourage, Medienarbeit und Menschenrechte ausgezeichnet.
Kontakt: Tel.: 0049-761-7678208, Mob.: 0049-170-6113759
E-Mail: jg@rib-ev.de, graesslin@dfg-vk.de

Quellen
#Q1: „Die Charta der Vereinten Nationen“, siehe https://unric.org/de/charta/
#Q2: „Deutschland genehmigt Panzerfaust-Lieferungen an die Ukraine“ in SPIEGEL online vom 26.02.2022 und „Deutschland liefert Waffen aus Bundeswehrbeständen an Ukraine“ in gmx.net vom 26.02.2022
#Q3: „Vertrag über den Waffenhandel“, ATT, siehe www.bundesanzeiger-verlag.de
#Q4: „Gemeinsamer Standpunkt der Europäischen Union (EU) für Rüstungsexporte“, siehe https://sicherheitspolitik.bpb.de/de/m3/articles/eu-common-position-on-arms-exports
#Q5: https://www.finanztreff.de/news/aktien-im-fokus-anleger-setzen-auf-hoehere-ruestungsausgaben/27991400. Die Kursangaben zu den vier genannten Rüstungsunternehmen beziehen sich auf den 25.02.2022.

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